Eine Studie der Universität Basel befasst sich mit politischen Ämtern in den Gemeinden der Kantone Aargau, Luzern und Zürich. Die beiden Studienautoren stehen Red und Antwort – und winden den Gemeinden im Kanton Luzern ein Kränzchen.
Welches sind die Haupterkenntnisse Ihrer Studie?
Alois Stutzer (AS): Einerseits beschreiben wir im ersten Teil unserer Studie die Gemeinderatswahlen in den Kantonen Aargau, Luzern und Zürich seit den 1970er Jahren. So zeigt sich im Aargau seit 1990 eine Abnahme der Anzahl Kandidaturen pro Sitz von ungefähr 1,6 auf 1,2. Im Kanton Luzern hingegen ist über den gesamten Zeitraum im Durchschnitt nur eine kleine Abnahme ersichtlich, nämlich von zirka 1,2 auf 1,1 Kandidaten pro Gemeinderatssitz. Dabei kämpfen vor allem die kleinen Gemeinden mit weniger Kandidierenden – dies zeigt sich deutlich im Aargau. Dort beobachten wir auch eine deutliche Zunahme an Fällen, wo zu wenige Personen beim ersten Wahlgang kandidieren.
Tobias Schib (TS): Anderseits versuchen wir im zweiten Teil der Studie zu verstehen, welche Faktoren zur Attraktivität von Gemeinderatsmandaten beitragen. Es zeigt sich, dass eine Erhöhung der Entschädigung für ein gegebenes Pensum nicht mit einer höheren Zahl an Kandidaturen in der nächsten Gemeinderatswahl verbunden ist. Gemäss unseren Resultaten ist die Reduktion des Arbeitspensums – bei proportional tieferer Entschädigung – ein wirksameres Mittel, um mehr Personen zu einer Kandidatur zu bewegen. Im Kanton Luzern konnte man Pensen teilweise dadurch reduzieren, indem Aufgaben an die Gemeindeverwaltung übertragen wurden.
Sie untersuchten 522 Gemeinden in den Kantonen Aargau, Luzern und Zürich. Was sind die Stärken und Schwächen im Luzerner System?
TS: Im Kanton Luzern fällt auf, dass die durchschnittliche Entschädigungshöhe für Gemeinderatsämter im Vergleich zu ähnlichen Gemeinden aus anderen Kantonen deutlich höher ist. Anders als in anderen Kantonen stellen Gemeinderatsmandate im Kanton Luzern keine klassischen Ehrenämter dar. Vielmehr haben sie Aspekte einer Teilzeitanstellung, wo ein ausgewiesenes Arbeitspensum mit regulären Lohn und Sozialleistungen entschädigt wird. Selbst wenn anekdotische Evidenz darauf hindeutet, dass die ausgewiesenen Stellenprozente eher als untere Grenze des effektiv geleisteten Arbeitsaufwandes zu verstehen sind, so bieten sie doch Orientierung und Planbarkeit für Personen, die interessiert und gewillt sind, ein solches Engagement wahrzunehmen. Eine weitere Stärke ist die ausgeprägte Autonomie der Luzerner Gemeinden hinsichtlich der internen Organisation: Beispielsweise steht es den Gemeinden bei ihrer Organisation offen, ob die Gemeinderätinnen und Gemeinderäte vor allem strategisch oder auch operativ tätig sein sollen, oder ob die Gemeindeorganisation vorsieht, Entscheide an der Versammlung oder an der Urne zu treffen.
AS: Was vom Schweizerischen Gemeindeverband schon andiskutiert wurde und prüfenswert wäre, ist eine Lockerung der Wohnsitzpflicht. Vor allem in kleinen Gemeinden könnte so der Kreis an möglichen Kandidaten erheblich vergrössert werden. Es gibt Personen, die sind in einer Gemeinde aufgewachsen, wohnen mit der Familie nun in der Nachbarsgemeinde – wären aber bereit, zu kandidieren.
Im Kanton Luzern liessen sich bisher immer alle kommunalen Ämter besetzen – was sind Gründe dafür?
TS: Tatsächlich finden wir im Kanton Luzern über den gesamten Untersuchungszeitraum nur neun Fälle, wo im ersten Wahlgang weniger Kandidaten zur Verfügung standen, als es Gemeinderatssitze zu besetzen gab. In zwei Gemeinden ergab sich diese Situation bei den letzten Gemeinderatswahlen 2024. Auf den zweiten Wahlgang hin konnten die fehlenden Kandidaten jedoch gefunden werden.
AS: Wir gehen davon aus, dass es unter anderem mit der Ausgestaltung des Gemeinderatsmandats zusammenhängt. Dabei beobachten wir, wie gesagt, eine faire Vergütung für ein vorgängig feststehendes Arbeitspensum. Dies macht es für in Frage kommende Personen potenziell einfacher, das Amt mit Beruf, Familien- und Privatleben zu vereinbaren. So fällt beispielsweise auf, dass gerade im Kanton Luzern viele Frauen das Amt als Gemeinderätin ausführen. Zudem ist wohl auch die Verbundenheit der Bürgerinnen und Bürger stark genug, dass immer wieder Personen für diese kommunalen Ämter erfolgreich angesprochen werden können.
Sie konzentrierten sich in Ihrer Studie auf den Zeitraum zwischen 1970 und 2024. Ist ein kommunales Amt von damals noch vergleichbar mit einem von heute?
TS: Ja und nein. Der Gemeinderat ist zwar nach wie vor das zentrale Führungsorgan einer Gemeinde. Verschiedene Studien und anekdotische Evidenz zeigen jedoch, dass die Komplexität der Gemeinderatsmandate über diesen Zeitraum zugenommen haben. Hinzu kommt, dass das Ansehen und die Wertschätzung gegenüber Gemeinderäten wohl eher abgenommen haben. Beides hat wohl eher negative Konsequenzen für den Kreis an Personen, die sich ein solches Amt nebenberuflich heute noch vorstellen können.
AS: Aber gerade im Kanton Luzern gab es auch positive Entwicklungen. Mit der Gemeindereform 2000+ wurde in den 2000er Jahren die Gemeindeautonomie im Kanton Luzern substanziell gestärkt. Kommunale Ämter dürften dadurch spannender und abwechslungsreicher geworden sein.
Tobias Schib ist Doktorand und Assistent an der Professur für Politische Ökonomie an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel. Für seine Dissertation forscht er zu verschiedenen Themen im Bereich der ökonomischen Analyse des Föderalismus, insbesondere zu lokaler politischer Selektion.
Alois Stutzer ist Professor für Politische Ökonomie und Dekan der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel. Seine Forschungsinteressen liegen primär in den Bereichen Ökonomische Theorie der Politik sowie Verhaltensökonomie.
Kommunikation Justiz- und Sicherheitsdepartement
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